Seit April ist der Prozess eröffnet, bei dem es um die fristlose Kündigung von sieben Mitarbeitern des Zoofachhandels Fressnapf geht. Sind sie wirklich entlassen worden, weil sie einen Betriebsrat gründen und in die Gewerkschaft eintreten wollten? Dieser Schluss liegt zumindest nahe, auch wenn es seitens Fressnapf keine konkreten Aussagen dazu gibt. Mittlerweile geht es nicht nur um entlassene Mitarbeiter, sondern auch ums Image.
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Fristlose Kündigung nach Versammlung
Die betroffenen Mitarbeiter hatten sich außerhalb des Firmengeländes getroffen, um gemeinsam mit einigen anderen über die Möglichkeit der Gründung eines Betriebsrates zu sprechen. Daraufhin erhielten sie die Kündigung, wobei sich Fressnapf allerdings nicht auf die Betriebsratsgründung bezog, sondern die Gründe für die Entlassung noch offen ließ bzw. andere Gründe angab. Kein Wunder, immerhin steht den Beschäftigten ein Betriebsrat zur Durchsetzung ihrer Rechte gesetzlich zu.
Die Vermutung, dass die Entlassungsgründe nur vorgeschoben seien, bestätigten auch drei der entlassenen Mitarbeiter. Eine so plötzliche „betriebsbedingte Kündigung“ war nicht zu vermuten und scheint gemeinsam mit den Vorwürfen, die gegen einen der Entlassenen erhoben werden, recht unseriös. „Nebulös“, wie der Richter des Arbeitsgerichts sagte.
Gekündigt wegen Krankheit?
Wie die Westdeutsche Zeitung berichtete, arbeitete einer der betroffenen ehemaligen Mitarbeiter bereits seit 2008 bei Fressnapf. Bei ihm kam es jedoch zu langen Ausfallzeiten aufgrund eines schweren Unfalls – er war insgesamt 48 Arbeitstage abwesend. Fressnapf als Arbeitgeber habe mit ihm ein Krankengespräch geführt, in dem er verdeutlichte, dass er gern vom Schichtdienst auf die Frühschicht wechseln möchte. Das Unternehmen wollte diesem Wunsch aber nicht nachkommen.
Eine Umsetzung in den Bereich Logistik sei nicht möglich gewesen, weil dort kein Platz für den Mitarbeiter frei gewesen wäre. Nun wurde ihm ein Angebot zur Auflösung des Arbeitsvertrags unterbreitet, welches der Mitarbeiter wiederum ablehnte. Am nächsten Tag bekam er die fristlose Kündigung aus „verhaltensbedingten Gründen“. Das Unternehmen sagte dazu, dass die Ehefrau des betreffenden Mitarbeiters angedroht habe, dass ihr Mann aufgrund der nicht möglichen Versetzung oder Änderung der Arbeitszeiten zukünftig häufiger fehlen würde.
Der Mitarbeiter bestreitet aber, dass eine solche Aussage getroffen wurde. Fressnapf führte weiterhin an, dass Kollegen des Mitarbeiters davon berichtet hätten, dass dieser von einem Boykott gegen die Arbeit gesprochen habe. Namentlich sollten diese Angestellten aber nicht benannt werden, was der Richter mit dem bereits erwähnten „nebulös“ bezeichnete.
Keine Berechtigung zur Kündigung vorliegend
Zur Klage vor dem Arbeitsgericht beauftragte der Mitarbeiter den Anwalt Marc Jörges mit seiner Vertretung. Dieser stellte fest, dass im vorliegenden Fall keinerlei Gründe für eine Kündigung vorlägen, die tatsächlich eine Berechtigung hätten. Er gehe vielmehr davon aus, dass das Unternehmen eine Art Strafmaßnahme gegen den Mitarbeiter einleiten wollte und hier nicht die Krankheit bzw. die lange Ausfallzeit des Betreffenden maßgeblich war, sondern eher der Umstand, dass die Gründung eines Betriebsrates verhindert werden sollte. Dass die Ehefrau des Betreffenden eine derartige Aussage getroffen haben soll, dafür gäbe es keinen Beweis. Damit sei laut Anwalt die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen völlig gegenstandslos und somit nicht zulässig.
Das gelte auch für die Kündigung, die bereits am Vortag ausgesprochen worden war und sich auf die Ausfallzeit bezog. Eine Kündigung sei nicht möglich, weil die Ausfalltage genauestens aufgelistet werden und hierbei eine lange Liste ergäben. Das Arbeitsrecht ließe laut Jörges eine derartige Kündigung gar nicht zu. Das Unternehmen hatte eine negative Zukunftsprognose erstellt, doch eine Wiederholung des Unfalls ist eher unwahrscheinlich und somit wären auch diesbezügliche Ausfalltage nicht zu erwarten.
Zudem sei der Kündigung nicht einmal eine Abmahnung vorausgegangen. Die These der Strafmaßnahme werde laut Anwalt auch daher unterstützt, dass der Grund für die Kündigung von einem Tag auf den anderen von krankheits- auf verhaltensbedingt gewechselt wurde. Anscheinend, weil der erste Grund nicht ausreichend oder nicht zulässig war, der Mitarbeiter aber auf jeden Fall gehen sollte.
Finanzielle Nachteile der gekündigten Mitarbeiter
Die Mitarbeiter des Unternehmens, die nun gekündigt wurden, müssen mit erheblichen finanziellen Nachteilen rechnen. Im Fall des eben beschriebenen krankheits- und verhaltensbedingt gekündigten Angestellten mit fristloser Kündigung ergibt sich die Tatsache, dass die Arbeitsagentur auf so etwas mit einer Sperre von drei Monaten reagiert – drei Monate lang wird keine Unterstützung gezahlt. Lediglich ALG II vom Jobcenter könnte empfangen werden.
Noch schlechter geht es einem Arbeitskollegen, dem ebenfalls gekündigt wurde und dessen Fall ebenfalls verhandelt worden ist. Er bekam die fristlose Kündigung, weil er angeblich Geld aus dem Unternehmen entwendet hatte – der Mitarbeiter bestreitet das aber. Das Seltsame dabei ist, dass er noch am Vortag der Kündigung eine Gehaltserhöhung zugesprochen bekommen hatte. Fressnapf hatte ihm aufgrund der Streitigkeiten dann 13.000 Euro als Abfindung angeboten, wenn sein Arbeitsvertrag aufgelöst werden würde. Diese Abfindung lehnte der Mann aber ab.
Nun bekommt er weder Arbeitslosengeld I noch Hartz IV, sondern muss mit den 400 Euro pro Monat auskommen, die ihm als Übergangslösung gezahlt werden. Dies ist so lange der Fall, bis seine Unschuld bewiesen wurde. Sein größtes Problem dabei sind die beiden kleinen Kinder und das Haus, auf dem ein Kredit lastet. Wovon sollen nun die Verbindlichkeiten und monatlichen Verpflichtungen gezahlt werden?
Wie geht es weiter?
Der Richter des Arbeitsgerichts legte den nächsten Verhandlungstermin auf den 5. Juli 2017, dann soll das Unternehmen über einen Verantwortlichen Stellung zu den Kündigungen beziehen bzw. die Kündigung des beschriebenen Mitarbeiters rechtfertigen. Außerdem werden in dem Zuge Beweise gegen den Mitarbeiter gefordert. Die Krankenkasse muss bis dahin eine Liste der Ausfalltage, die krankheitsbedingt auftraten, beibringen bzw. diesbezüglich eine Zuarbeit leisten.
Außerdem erwägt die Gewerkschaft Ver.di nun, gegen Fressnapf vorzugehen. Dafür werden allerdings noch weitere Anhaltspunkte benötigt – sollten diese jedoch vorliegen, sollen die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, so die Sekretärin der Gewerkschaft Sabine Busch gegenüber der „Welt“. Die Anzeige gegen Fressnapf sei möglich, weil zwei der gekündigten Mitarbeiter Mitglieder der Gewerkschaft sind. Damit kann diese etwas unternehmen, auch wenn sie nicht selbst an der Gründung des Betriebsrates beteiligt war.
Dies könnte für den Konzern aber unangenehm werden, denn die Wahl eines Betriebsrates muss möglich sein. Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes regelt, dass eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder das Verhängen einer Geldstrafe an Personen, die die Wahl des Betriebsrates ver- oder behindern, möglich ist. Als Behinderung ist auch die Androhung oder tatsächliche Zufügung von Nachteilen zu verstehen. Genau diese liegen aber vor, wenn mit der Kündigung wegen Ausfallzeiten gedroht bzw. diese dann tatsächlich ausgesprochen wird.
Die Geschäftsführung von Fressnapf geht nun etwas vorsichtiger an die Sache heran und positioniert sich zu den möglichen Gesprächen über die Gründung des Betriebsrates, ohne wirklich Stellung dazu zu nehmen. Angeblich seien entsprechende Bemühungen seitens der Belegschaft nicht bekannt, man stünde der Sache aber offen und konstruktiv gegenüber. Die Mitarbeiter hätten aber auch bislang schon die Möglichkeit gehabt, sich direkt mit der Geschäftsleitung in Verbindung zu setzen und sich über Bedürfnisse oder aktuelle Geschehnissen auszutauschen. Die Gewerkschafter fürchten aber, dass sich in der Sache nichts weiter tun wird.
Die Kündigung der sieben Mitarbeiter werde von der übrigen Belegschaft durchaus als Warnung aufgefasst. Wer sich gegen das Unternehmen auflehnt, verliert seinen Job, so die Botschaft aus der Sache. Auch wenn die Arbeitsgerichte solche fristlosen Kündigungen meist nicht anerkennen – vor der Belegschaft wirken sie dennoch. Vor Gericht werden dann meist einvernehmliche Verträge zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses getroffen, was wiederum mit einer Abfindung endet. Der Arbeitsplatz ist dennoch verloren, der finanzielle Aufwand hält sich für Fressnapf in solchen Fällen in überschaubaren Grenzen. Damit siegt das Unternehmen in jedem Fall, wenn auch einige Klippen umschifft werden müssen.
Laut Anwalt Jörges wurde durch Fressnapf bereits vor einiger Zeit die Gründung des Betriebsrates unterbunden, was vor allem für die Mitarbeiter im Niedriglohnbereich – zu dem übrigens alle im vorliegenden Streitfall Gefeuerten gehören – besonders problematisch ist. Außerdem trauen gerade sie sich dann kaum mehr, gegen den Arbeitgeber vorzugehen.
Hilfe von außen
Vielleicht ist die These etwas gewagt – aber die Menschen, die bei dem Futtermittelriesen einkaufen, können durchaus etwas für die Belegschaft tun. Wenn derartige Fälle wie die Kündigungen jetzt an die Öffentlichkeit treten, kann diese reagieren, indem sie auch woanders einkauft.
Warum nicht bei Pets Premium oder einem anderen Anbieter, der die gleichen Vorzüge wie Fressnapf bietet, nur mit anderer Personalpolitik? Natürlich soll das kein Aufruf zum Boykott gegen das Unternehmen sein, lediglich ein kleiner Hinweis, dass auch die Verbraucher Einfluss auf die Unternehmenspolitik und auf die Arbeitssituation der dortigen Angestellten nehmen können.
Außerdem wäre es sinnvoll, wenn die Belegschaft geschlossen hinter solchen Vorhaben wie der Gründung eines Betriebsrats stünde. Profitieren können schließlich alle davon, dass ihre Rechte besser vertreten werden. Warum sollte dann nicht auch die Gründung gemeinschaftlich angegangen werden? Die Gemeinschaft hat eine stärkere Position als jeder Einzelne und somit werden Kündigungen weniger schnell ausgesprochen.
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